Was, wenn wir Scham und Schuld aus der Gleichung nehmen?
Was würde das für Dich bedeuten? Würde das einen Unterschied machen?
Juli Scheld ergänzt dazu: „Zu Scham und Schuld möchte ich kurz noch etwas ergänzen: Beide Gefühle werden von den meisten Menschen abgelehnt und eher negativ beurteilt. Sie fühlen sich eben halt auch eher unangenehm an. Aber auch diese zwei Grundgefühle erledigen einen wichtigen „Job“ für uns:
Scham will für Bescheidenheit sorgen – als Ausgleich zu Stolz auf sich selbst und auf erreichte Erfolge. Leider werden die Botschaften rund um Bescheidenheit, denen Menschen in ihrer Erziehung oder durch Gesellschaft, Kirche & Co. ausgesetzt sind, oft übertrieben. Dann wird aus Bescheidenheit ruckzuck eine völlig überzogene „Du bist falsch-Botschaft“ mit fatalen Auswirkungen für Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit – und die beiden sorgen für unseren Selbstwert.
Hinter Schuld steht dagegen der Satz „Ich habe etwas falsch gemacht“, wie Marlis Lamers das schon geschrieben hat [als Kommentar auf Facebook]. Das Gefühl macht Dich aufmerksam auf Dinge, die in Deiner Verantwortung liegen und Werte, die in Dir und anderen Menschen verankert sind. Ich persönlich bin dankbar, dass ich in der Lage bin, ein (gesundes) Schuldgefühl zu empfinden, wenn ich etwas falsch gemacht habe oder jemandem auf die Zehen getreten bin. Denn dann kann ich mein Verhalten korrigieren oder mich entschuldigen.
Schuld im katholischen Kirchensinn, also eine ererbte, niemals lösbare und zutiefst im Menschen verankerte Grundschuld – die braucht kein Mensch. Und ich rede hier von Klienten, die genau das in der Kirche erlebt haben. Diese Schuld ist kein gesundes Schuldgefühl in Bezug auf Werte und eigene Verantwortung, sondern wurde aufgeladen, eingebläut und verbiegt Menschen in eine ungesunde Haltung gegenüber dem Leben. Ui, etwas weit ausgeholt…
Also kurz: für mich gehören Schuld und Scham zur Gleichung dazu. Beides wichtig, aber eben im richtigen Maß und an der richtigen Stelle! In meiner Arbeit bin ich immer wieder fasziniert, wie tief sich eine übertriebene oder fehlplazierte Emotion festhaken, Menschen blockieren und von ihren Begabungen abschneiden kann. Und was Tolles möglich wird, wenn das Gefühl zu einer verkraftbaren Erinnerung wird und wir nur den Lerneffekt behalten dürfen: entweder etwas nicht zu wiederholen oder die Gewissheit, dass wir bestimmte Dinge mit Anderen nie tun würden!“
Juli Scheld: www.julischeld.de