Stell Dir vor, Du hörst ein leises Räuspern.
Mein leises Räuspern.
Mein Versuch, meine Stimme wieder zu finden. Worte zusammen zu fügen, die einen Sinn ergeben, die möglichst trostreich und ermutigend sind.
Doch noch ist es nur ein Räuspern.
Ein rauer Klang von gelähmten Stimmbändern, die mühsam die Sprachlosigkeit überwinden wollen.

Was könnte ich sagen, wenn doch alles gesagt scheint?

Sollte ich nicht lieber stumm bleiben, um nicht noch mehr „Geräusch“ zu den Vorwürfen, der Angst, den Sorgen, der Hilf- und Machtlosigkeit beizutragen?

Steht es mir zu, aus tiefem Vertrauen, Mut und Hoffnung zuzusprechen, wenn mir selbst phasenweise Angst und Sorgen die Kehle zuschnüren?

Sind meine Nachrichten für Kraft und Zuversicht Fake-News oder darf ich, kann ich auch weiterhin ihrer Quelle vertrauen?

Doch langsam gesellen sich zu den blockierenden Gefühlen der Überforderung, der Ratlosigkeit, der Unsicherheit und des Unbehagens auch die Verstandeskräfte, die versuchen, ein Bild zu formen und klare Sicht zu gewinnen und die Seelenkräften zeigen sich, die in all dem den tieferen Sinn erkennen und nutzen wollen.

Es wird, es ist Zeit für (m)eine Bestandsaufnahme und dafür, meine Gedanken in Worte zu fassen.

Was ich im Moment angesichts der gegenwärtigen Situation an mir selbst, in den sozialen Medien beobachte und mir in vielen Gesprächen begegnet, erinnert mich stark an Trauerarbeit und Verlustbewältigung:

  • Mit dem Leugnen und Nicht-wahrhaben-Wollen (so schlimm wird’s schon nicht werden, das betrifft mich ja nicht),

  • Mit der Wut und anderen Emotionen, wie Ärger, Angst, Verachtung (die sich potenzieren und sich z.B. in Hamsterkäufen und Angriffen gegen Verkäuferinnen oder auch Verurteilungen Anders-Denkender und -Handelnder äußern können),

  • Mit der inneren Auseinandersetzung mit dem Verlust des bisherigen Weltbildes, der gewohnten Lebensumstände und Sicherheiten, Routinen und Muster im Berufs- und Privatleben und dem Versuch des Verhandeln von „wenn-dann“ Szenarien (der auch in Sprachlosigkeit und Depression münden kann),

  • Mit der Entwicklung der Akzeptanz mit einem neuen Selbst- und Weltbezug, d.h. der Fähigkeit, sich nicht nur in der neuen Situation zurecht zu finden, sie annehmen zu können, sondern die daraus resultierenden Veränderungen und Erkenntnisse in einer selbstunterstützenden und sinnstiftenden Art und Weise in das eigene Leben integrieren und sie nutzen zu können.

Als Menschen agieren und reagieren wir unterschiedlich in Trauer- und Verlustsituationen, gleiten wir durch die eine Phase leichter durch und hängen in einer anderen vielleicht umso länger fest. Je nach Persönlichkeit und Prägung suchen wir uns aktiv Hilfe oder warten auf die Rettung von außen, gehen wir in den Austausch oder kapseln uns ein.

Und auch die Art der Hilfe und der Zuwendung, die wir jeweils brauchen, suchen und uns wünschen, kann wie bei den 5 Sprachen der Liebe ganz unterschiedlich sein.

  • Da gibt es den Wunsch nach Bestätigung, nach Lob und Anerkennung, dass wir es genau richtig machen, dass wir es schaffen, dass alles gut wird, dass wir nicht nur für unsere Leistung, unser Tun wertgeschätzt werden, sondern für unser Sein. Umso mehr, wenn sich die Umstände unseres Tuns drastisch ändern und wir auf unser Sein zurückgeworfen werden.

  • Andere wünschen sich mehr, Gesehen–zu – werden und Exklusivität, die sich angesichts der Allgemeingültigkeit der momentanen Maßnahmen vor sich selbst nur schwer rechtfertigen lässt und verdeckt zum Ausdruck kommt. „Sieh her, ich leide, bitte wende dich (nur) mir zu“ findet sich als Aussage hinter den unterschiedlichsten Handlungen, Aussagen und Gefühlsausbrüchen, um Aufmerksamkeit zu erreichen.

  • Da ist der Wunsch nach (Schmerz-)Linderung durch konkrete finanzielle und materielle Hilfe und Zeichen, als greif-, sicht-, fühlbarer und vor allem nutzbarer Beweis, nicht allein und allein gelassen zu sein und um das tun zu können, was für das eigene (berufliche) Überleben notwendig und ohne materielle Hilfe nicht möglich ist.

  • Ein ähnlicher „Beweiswunsch“ äußert sich in dem Verlangen nach einem reinen Hilfsangebot, ohne es in Anspruch nehmen zu müssen. Das Gefühl und die Gewissheit, dass jemand da ist und sich kümmert bzw. der/ die sich kümmern würde, reicht oft schon als Impuls, Inspiration und Erinnerung, um wieder in die eigene Kraft zu kommen, nach der Starre wieder handlungsfähig zu werden und aktiv Verantwortung für die eigenen Geschicke zu übernehmen.

  • Und es gibt den momentan „schwierigsten“ Wunsch mit der Sehnsucht nach der körperlichen Nähe, der quasi unter Generalverdacht für negative Auswirkungen steht und dessen Erfüllung von „was-wenn-Sorgen“ begleitet werden, auch wenn es „nur“ um lose Begegnungen unter Kollegen, Freunden und Verwandten geht. So müssen wir uns gleichzeitig aus Liebe und aus Angst gegen das Wertvollste und gegen unseren Instinkt entscheiden. Für uns als soziale Wesen, deren Immunsystem durch wohlwollende Umarmungen und Berührungen nicht nur gestärkt, sondern auch geheilt wird, ist der Zwangsentzug durchaus bedenklich.

    Auch wenn die Aufrufe dahin gehen, einander zu helfen, uns zwar nicht die Hände, doch ein Lächeln zu geben, können die schelen, abschätzenden Seitenblicke und das Einander-aus-dem-Weg-gehen alte Wunden wieder aufreißen und negative Außenseiter/ Ausgestoßen-Sein-Gefühle (nicht dazu gehören dürfen) triggern.
    Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass jeder und jede von uns bewusst und unbewusst gute Gründe hat, auf seine und ihre Art zu agieren und zu reagieren. Es mag von aussen nicht immer verständlich sein, vielleicht sogar kontraproduktiv und gegen den normalen Menschenverstand verstoßend, doch gerade jetzt in dieser Ausnahmezeit ist für viele die Selbstregulation der Emotionen enorm schwierig und ohne Hilfe und Verständnis noch mühsamer. Die guten Gründe gelten immer für das eigene System und basieren auf den bisherigen Erfahrungen, Mustern und Strategien und auf der Fähigkeit mit dieser Art Stress umzugehen. Der Überlebensinstinkt schießt bei so manchen Menschen über das Ziel hinaus, das limbische System regiert, die Angst vernebelt klare Gedanken und die Balance zwischen Ressourcen- und Stresssystem ist gestört.

Ich selbst finde mich gleichzeitig und fließend sowohl in den verschiedenen Phasen der Verlustbewältigung als auch in den Wünschen wieder, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen und mit unterschiedlichen Erfüllungsstrategien.
Hinzu kommt, dass es uns nicht nur im Einzelnen betrifft, sondern ein globales Ereignis ist und sich dadurch die jeweilige Energien potenzieren, die wir aufnehmen und aussenden, manchmal auch ohne dass wir merken, dass es gar nicht immer unsere ureigene Energie ist, unsere eigenen Ängste sind, die uns in unserem Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen.

Wenn ich ganz stark in der Akzeptanz- und Integrationsphase bin (in der ich meine Stimme wieder finde), gelingt es mir, diese Situation als Chance für eine Bestandsaufnahme und die Entwicklung eines Wunschszenarios zu nutzen, das Du auch für Dich prüfen kannst.

Stell Dir dafür die Fragen:

Von all dem, was jetzt zu dem „Nicht-dürfen“ und „Müssen“ gehört, was ich davor getan oder nicht getan habe
(weil es unvorstellbar, es unmöglich war, ich mich nicht getraut habe, es sich nicht gehörte, zu riskant, nicht riskant genug war, ich abgeschrieben habe, es zu dies oder nicht genug das war…),

  • was möchte ich, das bleibt? (was durch die Situation neu ist, mir gut tut, es vorher so noch nicht gab)

  • was möchte ich, das es nie wieder kommt? (was durch die Situation im Moment nicht sein muss/ darf und ich so erleichtert bin, das mal nicht zu müssen)

  • was will ich unbedingt wieder in meinem Leben haben? (was ich jetzt schmerzlich vermisse und nicht sein darf)

  • wofür bin ich dankbar, das mir diese besondere Situation gebracht, genommen, gezeigt und über mich gelehrt hat?

  • was kann ich jetzt dafür tun, damit es „danach“ so bleibt/ wird, wie ich es will?
    Damit ich nicht wieder in die ungewollten Muster rutsche, aus denen ich ohne die Krise nicht rausgekommen wäre?

Diese Veränderung und Integration können wir für uns ganz persönlich in unserer inneren Gedanken- und Tatenwelt treffen und bestärkend nutzen, für das, was wir jeweils tun, denken und fühlen wollen und das sich damit auch auf alle anderen Bereiche in unserem Leben auswirkt: auf Partnerschaften, Berufsleben, Freizeit, Gesundheit, Seelenleben, Freundschaften, Beziehungen im Allgemeinen, Kreativität….

Wenn ich mir für mich diese Fragen beantworte, kristallisieren sich meine nutzbaren Erkenntnisse heraus und die Sicht wird wieder klarer. Die emotionalen Blockaden lösen sich und ich fühle mich nicht nur denk-, sondern auch wieder handlungsfähig.

Doch auch wenn ich schon den Blick auf die Erkenntnisse für neue und zukünftige Handlungsspielräume habe, ist das Wichtigste eine stärkende Verankerung im Hier und Jetzt, um mich der Situation oder den äußeren Einflüssen nicht ausgeliefert zu fühlen, sondern meine eigene Aktion und Reaktion bewusst steuern zu können. Nicht umsonst ist im Coaching die Ressourcenstärkung das wichtigste Element!

Dafür liebe ich die 5 Fragen aus dem Emotionscoaching, die helfen, an die eigene Kraft und Ressourcen zu erinnern und sie zu stärken. So, wie ich sie wieder täglich für mich nutze, möchte ich sie Dir auch heute mit an die Hand geben.

Bei jeder der 5 Fragen lade ich Dich ein, sie für Dich zu beantworten. Es müssen keine großen, weltbewegenden Dinge sein. Du darfst z.B. auch einfach „nur“ stolz darauf sein, dass Du aufgestanden bist, wenn Dir das im Moment besonders schwer fällt. Oder dankbar sein für den Kaffeeduft oder das Wunder des immer wieder kehrenden Frühlings erkennen.

Bereit??!

Hier sind die 5 Ressourcenfragen für Dich, die Du Dir stellen kannst:

  1. Was habe ich heute durch mein Handeln erreicht, auf das ich stolz bin?
  2. Wann habe ich mich heute sicher oder einfach nur entspannt gefühlt?
  3. Wofür bin ich heute dankbar?
  4. Wo ist mir heute ein Wunder begegnet, wann habe ich Ehrfurcht gespürt?
  5. Wem habe ich heute eine Freude gemacht?

Nach jeder Antwort schließe Deine Augen und spüre für 15 Sekunden dem Gefühl nach. Dem Stolz. Der Entspannung. Der Dankbarkeit. Der Ehrfurcht. Der Freude.
Und dann wiederhole diesen Prozess mindestens 3 Mal täglich! Du kannst Dir dafür z.B. eine Erinnerung in Dein Handy speichern mit den Fragen, Dich kurz zurückziehen und eintauchen: In den Stolz, die Entspannung, die Dankbarkeit, die Ehrfurcht und die Freude.

Es mag am Anfang etwas Mühe kosten, doch es lohnt sich, wieder bei Dir anzukommen und aus Deiner Kraft schöpfen zu können. Es wird leichter für Dich, auf Deine Ressourcen zuzugreifen und auf den erhöhten Stress bewusst und nicht mit ungewollten Autopilotaktionen zu reagieren.

Lass mich wissen, wie es Dir damit geht! Ich bin gern für Dich da, wenn Du für Dich Fragen beantworten möchtest, die sich aus dieser ungewöhnlichen Situation für Dich neu und brennend ergeben haben, wenn Du Dich blockiert fühlst, festhängst und (Auf)Lösungen brauchst.

Das Hier und Jetzt zählt.
Der Austausch: Miteinander und Füreinander.

Denn das beste Mittel gegen Sprachlosigkeit und innere Lähmung ist, sich zu räuspern und den eigenen Gedanken wieder Raum und Farbe zu geben, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit doch mit Verständnis und Akzeptanz für die eigenen Emotionen und Reaktionen.

Liebe Grüße,
Gisela

Mehr denn je gilt: Es ist Dein Leben. Es ist Dein Design.

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