Inspiriert von den Fragen zu meinem Artikel „Abenteuer und Abschied“, möchte ich einige meiner Arbeits- und Denkansätze in Bezug zum Thema „Angst vor dem Scheitern“ teilen.
Die Fragen lauteten „Wie gehst du im Rahmen deiner Karriere-Abenteuer mit der Angst vor dem Scheitern um? Hast du bestimmte Techniken, um mit Unsicherheiten umzugehen und dich mutig den Abenteuerwegen zu stellen? 🤔“
Die Angst vorm Scheitern ist gerade bei Karriere-Abenteuern ein mega spannendes Thema, denn für mich ist das ein Phänomen der „gedankenkreierte Welt“. Will heißen, es ist keine objektive (physische) Bedrohung da und gleichzeitig sind die Reaktionen (fight, flight, freeze) sehr ähnlich und die damit verbundenen Gefühle körperlich genauso spürbar. Diese sind in der Regel ziemlich unangenehm, weshalb wir sie gern vermeiden wollen. Gleichzeitig fühlt sich die Bedrohung sich real an, weil die Gefühle in diesem Moment echt sind, auch wenn sie sich auf eine antizipierte Situation beziehen, die noch gar nicht da ist oder so (und das ist noch viel wahrscheinlicher) nie eintreten wird. Anders formuliert: wir haben Angst vor dem, was wir uns gedanklich erschaffen, nutzen also die gleiche kreative Fähigkeit gegen uns, die wir (für uns) nutzen, wenn wir unsere Visionen entwickeln. Der Prozess ist der gleiche, das, was wir dabei/ dadurch fühlen, schreiben wir oft den äußeren Umständen zu, obwohl wir die Welt in uns erschaffen haben.
Für mich selbst und in meinen Coachings gehe ich mit der Angst vorm Scheitern unterschiedlich um, je nachdem, worauf sich die Angst bezieht. Grundsätzlich stelle ich mir (und den Coachees) dafür die Fragen,
- wovor fürchte ich mich wirklich (vor welchen Konsequenzen und welche Gefühle sind damit verbunden),
- was bedeutet Scheitern in diesem Fall, welche Szenarien entstehen im Kopf,
- ist diese Gefahr jetzt in diesem Moment objektiv real oder „nur“ antizipiert.
Sich sehr bewusst zu werden/ zu sein, dass wir fühlen, was wir denken (und nicht die äußeren Umstände), ist im Umgang mit der Angst vorm Scheitern der wichtigste Schritt. Zum Beispiel: ich fühle nicht die Absage nach einem Bewerbungsgespräch, sondern meine eigene Bewertung der Situation, meist sogar die Bewertung meiner Person – und diese Bewertung geht in der Regel mit sehr unangenehmen Gefühlen einher (Selbstzweifel, niedriger Selbstwert, Scham). Die Angst davor, in diese Situation zu kommen, d.h. die Angst vor der Enttäuschung, der Selbstabwertung beziehen sich dabei entsprechend auf Ereignisse, die noch gar nicht eingetreten sind. D.h. wir machen uns Sorgen, darum, dass uns (und anderen Personen) das Essen von morgen nicht schmeckt, obwohl wir noch nicht mal gekocht haben. Anders formuliert, wir bewerben uns nicht, weil wir Angst haben, eine Absage zu erhalten (zu scheitern), über die wir uns dann schämen würden. Die Angst liegt nicht in der Absage, sondern in dem vorweggenommenen unangenehmen Gefühl dazu.
Was wir tun können?
Uns darum kümmern, dass wir die Zutaten für das Essen von heute haben und mit dem arbeiten, was uns jetzt in diesem Moment zur Verfügung steht.
Die unangenehmen Gefühle sind ein großartiger Hinweis darauf, dass wir nicht im Hier und Jetzt sind, sondern in dem Fall eine „Furchtwelt“ kreieren, deren Qualität wir als sofortige Rückkopplung spüren. Und dann geht es nicht darum, positiv zu denken, sondern einen Schritt zurück zu machen und wieder in der Gegenwart anzukommen.
Steigen wir aus dem Gedankenkarussell aus und kommen wieder in die innere Klarheit, haben wir auch wieder direkten Zugriff auf unsere in uns angelegte Fähigkeit, dass wir, wenn es darauf ankommt, adäquat reagieren können. Wir kennen alle das Phänomen, dass wir uns stundenlang (monatelang) darüber Sorgen machen, wie wir das schaffen sollen (z.B. Erstellung einer Präsentation), wir es dann letztendlich (unter Zeitdruck) dennoch (bravourös) meistern. Wir hatten dann einfach keine Zeit mehr für die Angst, dass es nicht klappen könnte und haben uns um die Präsentation an sich gekümmert…
Wenn wir unsere Gehirnkapazität für die Lösung des Problems nutzen und nicht für die Sorgen um und die Bewertung (Unterschätzung) der eigenen Fähigkeiten für die Lösung, öffnet sich auch der Zugriff auf Lösungsmöglichkeiten, die auch das gesamte Feld mit einbeziehen.
Es gibt auch Gedankenmuster (entsprechend gekoppelt mit Emotionen wie Angst, die wir dann auch körperlich spüren), die aus früheren Erfahrungen resultieren, bei denen unser innerer Schutzmechanismus sofort anspringt, um Wiederholungen zu vermeiden. Meist zeigt sich das so, dass wir gar nicht wissen, wovor wir Angst haben, weil es doch „eigentlich“ gar nicht so schlimm ist und wir kognitiv wissen, dass „Scheitern“ zum Leben dazu gehört. Und doch fühlen wir uns blockiert. Zur Bewusstwerdung und Auflösung dieser Gedankenmuster/ Erfahrungen bzw. für den entspannten Umgang damit, arbeite ich dann zusätzlich mit EmTrace® (Integratives Emotionscoaching), um meinen Coachees zu helfen, die blockierenden Emotionen zu verarbeiten.
Daraus entsteht jeweils die Freiheit,
- die Angst vor dem Scheitern als sehr gesunde Strategie des eigenen Systems wahrzunehmen (sie also als Hilfe und nicht Gegner zu sehen und zu nutzen),
- zu überprüfen, ob diese gerechtfertigt ist oder aus dem eigenen Kopfkino entspringt und
- entsprechend aus der Erkenntnis zu handeln.
Stammt also die Angst vor dem Scheitern aus dem inneren Warnsystem, dass eine Gefahr droht, weil ich (wirklich und objektiv) nicht genug vorbereitet/ qualifiziert… bin, kann ich entsprechend Wissen aufbauen, Informationen einholen etc. Stammt die Angst vor dem Scheitern aus dem inneren Warnsystem, dass unangenehme Gefühle hinter der Ecke lauern könnten bzw. diese durch das Kopfkino schon kreiert werden, kann ich mich entsprechend mit diesen Emotionen bewusst auseinander setzen, ohne Bewertung, Verdrängung, Rechtfertigung oder Potenzierung.
Kenne ich also „Rumpelstilzchens“ Namen, weiß ich, worauf sich z.B. die Angst vor dem Scheitern in Wirklichkeit bezieht (und dass es „nur“ Gedanken sind), kann ich ohne Ballast an der objektiven Aufgabe arbeiten, Veränderungen angehen, Stellen recherchieren, Bewerbungen schreiben, mich trauen, das zu tun, worauf ich wirklich „Bock“ habe.
Auch das Scheitern selbst kann ich unter die Lupe nehmen und schauen, welche Assoziationen ich damit verbinde und wie ich mich als Person in Bezug dazu wahrnehme und bewerte.
Im Falle von großen Selbstzweifeln und „Selbstgeißelung“ und für mehr Klarheit und Entspannung nutze ich in den Coachings zusätzlich auch diese Fragen (angelehnt in Byron Katie’s „The work“): Ist das wirklich wahr? Stimmt das so? Wie fühlst du dich mit diesem Gedanken? Wer wärest du ohne diesen Gedanken? Was wird jetzt noch möglich?
Um mit Unsicherheiten umzugehen und mich mutig den Abenteuerwegen zu stellen (und meine Coachees dabei zu unterstützen) greife ich nicht auf eine Technik zurück, sondern auf das menschliche Potenzial, das darin liegt, dass wir (jede*r von uns) diejenige sind, die beides kreieren: Wir kreieren die Angst (durch angstmachende Gedanken) und wir kreieren den Mut (durch mutmachende Gedanken). Wir sind jedoch weder die Angst noch die Gedanken. Die Krux liegt darin, uns dessen bewusst zu werden/ zu sein.
Gleichzeitig hilft es enorm, Unsicherheiten als Fakt anzunehmen und zu lernen, innerlich klar und im Vertrauen zu bleiben, auch wenn das innere System das nicht „lustig“ findet (dafür ist es da). Wir sind ohne Angst vorm Scheitern geboren worden (sonst würden Kinder nicht laufen lernen) und diese Urkraft, dieses Vertrauen liegt unter den Schichten der Konditionierungen und der eigenen Schutzstrategien. Je bewusster uns dies ist und je bewusster wir darauf zugreifen können, desto mehr können wir unser eigenes (Lebens- und damit auch Karriere-)Abenteuer genießen und selbst gestalten.
Dies ist auch das größte Anliegen in meinen Coachings, dass sich die Menschen ihrer unglaublichen Kraft bewusst werden, bei sich andocken können und dieses kreative Potenzial der „Welterschaffung“ bewusst für sich nutzen können.
Nun bin ich gespannt, welche Fragen sich aus diesem Artikel ergeben und freue mich auf den nächsten Austausch!
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