Zu meinem Artikel „Karriere-Abenteuer und die Angst vorm Scheitern“ schrieb ein Leser u.a.:

„Wie gehst Du mit dem Gefühl um, dass vielleicht etwas getan werden muss, um die kreative Kraft für ein bestimmtes Ziel einzusetzen, aber die Energie oder der Antrieb fehlt? Wie motivierst Du in solchen Situationen Dich selbst oder Deine Coachees?“

Ich habe diese Fragen ein bisschen „aufgedrieselt“ und in den vergangenen Wochen zum Anlass genommen, mich und meine Coachings zu beobachten – sowohl die 1:1 Sessions als auch in den Events von career-adventuring -, so dass ich keine pauschalen „Kopfantworten“ gebe, sondern sie wieder einen Einblick in das geben, was ich für mich und meine Coachees nutze.

Frage 1 a): Wie gehst Du mit dem Gefühl um, dass vielleicht etwas getan werden muss, um die kreative Kraft für ein bestimmtes Ziel einzusetzen, aber die Energie oder der Antrieb fehlt?

Ein/ das Gefühl als solches ist für mich ein ganz wichtiger Ausgangspunkt, sowohl für mich persönlich als auch in meinen Coachings, bei dem es zunächst darum geht, das Gefühl wirklich ernst zu nehmen. Ernst nehmen in dem Sinne, dass es nicht weggedrückt, verdrängt, runter gespielt oder auch aufgebauscht wird. Selbst wenn das Gefühl so unangenehm ist, dass die zunächst „normale“ Reaktion bzw. Strategie ist, es vermeiden zu wollen, damit es (endlich) aufhört oder weniger wird.

Hinschauen, durchfühlen, in der Gesamtheit mit den Körpersymptomen wahrnehmen. Ohne Bewertung, Erklärung, Analyse oder Bedeutungszuschreibung.

Wo spüre ich es? Was spüre ich? Wie fühlt es sich an?

Vielleicht nehme ich in diesem Fall einen Druck auf der Brust wahr, schnürt es mir die Kehle zu, ist der Atem flach, fühle ich mich hilflos, verwirrt, kraftlos, unfähig. Vielleicht spüre ich Ärger aufsteigen und einen Knoten im Bauch.

Die beobachtende Aufmerksamkeit ist in diesem Moment ausschließlich bei dem (Körper-)Gefühl, ohne Analyse oder Fokus darauf, auf welchem Gedanken oder Konzept es basiert, ohne Rechtfertigung oder Verdammung des Gefühls an sich oder der Gedanken, die im Verlaufe noch auftauchen. Sich in dieser Form mit den eigenen Emotionen auseinander zu setzen, kann sehr ungewohnt sein (und Angst machen), besonders wenn wir normalerweise versuchen, unsere Probleme mit Denken zu lösen. Deshalb ist eine einfühlsame (Selbst-)begleitung und ein sicherer Rahmen für den Umgang mit der ganzen Bandbreite an Emotionen eine ausgesprochen wichtige Hilfe. Im Emotionscoaching unterstütze ich Menschen in diesem Prozess, in dem wir entsprechend Gefühle und Symptome gezielt (assoziiert und dissoziiert) anschauen und dadurch auf verschiedenen Ebenen innere Widerstände und Blockaden auflösen können.

Die gute Nachricht ist, Gefühle haben eine „Halbwertszeit“ und in der vollen Aufmerksamkeit verändert sich mit der daraus folgenden Integration der Emotion selbst auch das jeweilige Körperempfinden in Qualität und Intensität. Während vorher das (unangenehme) Gefühl die Energie dem Denken abgezogen hat, kann nach und nach die Selbstregulation, das „Kontrollzentrum“ wieder einsetzen und Denken und Fühlen können wieder zusammen spielen. Sich bewusst zu machen, dass wir nicht unsere Gefühle sind (auch wenn sie uns manchmal das Denken vernebeln), sondern dass sie jeweils eine ganz wichtige Funktion für das System haben, erleichtert den Umgang auch mit unangenehmen Empfindungen.

So hilft es mir und meinen Coachees, Gefühle als Helfer zu verstehen, u.a. als überaus wichtige Informationsquelle über die erfüllten, unerfüllten oder auch übererfüllten Bedürfnisse und Denkmuster, in denen wir uns gerade bewegen. Und mit diesen Helfern, diesen „Kollegen“ können wir ins Gespräch gehen, um ihre Botschaft zu hören, die gute Absicht dahinter zu entschlüsseln und entsprechend damit zu arbeiten.

Frage 1 b): Wie gehst Du mit dem Gefühl um, dass vielleicht etwas getan werden muss, um die kreative Kraft für ein bestimmtes Ziel einzusetzen, aber die Energie oder der Antrieb fehlt?

Hinter der kreativen Kraft, die in uns steckt, steckt NIE ein Muss.

Es gibt kein Muss, etwas zu tun, um sie zu aktivieren, zu nutzen oder lenken zu können. So, wie wir nichts dafür tun müssen, dass aus einer Kastanie ein Kastanienbaum wird, in dem das Potenzial eines Kastanienwaldes steckt. Wir können allerdings dafür sorgen, dass wir uns innerlich frei machen von dem Anspruch oder dem Glauben, die kreative Kraft über unseren Verstand einsetzen zu müssen oder steuern zu können. Wenn wir die Kontrolle an die kreative Kraft abgeben, sie durch uns fließen lassen, was sich im Ergebnis oft als Flow-Gefühl zeigt, können wir ohne Anstrengung sogar die Ziele hinter den Zielen erreichen.

Wenn wir die kreative Kraft (unbewusst) gegen uns einsetzen, sie als Waffe statt als Werkzeug nutzen, spüren wir das über unangenehme Gefühle als eine Art Warnung. Das heißt, wir können (müssen) dem inneren Signalsystem, den Gefühlen vertrauen, Widerstand und Erschöpfung ernst nehmen und dafür sorgen, dass wir uns selbst nachjustieren und in Balance sind. Dann sind nicht wir Träger dieser kreativen Kraft, sondern werden durch die Kraft getragen.

Hinter dem „Muss“ steckt für mich auch die Frage nach dem inneren und äußeren Leistungsdruck, nach den Erwartungen, die jemand an sich hat oder die gefühlt von außen kommen. Worauf dieser Druck, das Muss beruht und ob er als (Überlebens-)Strategie noch sinnvoll und nützlich ist, gilt es heraus zu finden, damit er entsprechend verändert werden kann und damit die kreative Kraft wieder frei fließen kann.

Frage 1 c): Wie gehst Du mit dem Gefühl um, dass vielleicht etwas getan werden muss, um die kreative Kraft für ein bestimmtes Ziel einzusetzen, aber die Energie oder der Antrieb fehlt?

Ein bestimmtes Ziel, das im Einklang mit uns und der kreativen Kraft ist, kostet keine Energie. Und auch der Einsatz der kreativen Kraft für ein Ziel kostet keine Energie, denn sie selbst ist und trägt die Energie dafür.

Fehlt die Energie oder der Antrieb, lohnt es sich genauer hinzuschauen auf das Ziel als solches, auf den angenommenen Weg dahin bzw. die Schritte zum Ziel und grundsätzlich auf die gegenwärtige eigene Verfassung, um das Energieleck zu entdecken.

Hilfreiche Fragestellungen dafür, für die wir auch im Coaching Antworten finden, können sein:

  • Ist das anvisierte Ziel das, was wirklich erreichen werden will/ soll?
  • Ist es wirklich das eigene Ziel oder entspringt es z.B. aus einer Rollenübernahme, Konditionierung oder Bedürfniserfüllungsstrategie (die Energie kostet)?
  • Basiert das Ziel auf einem Muss oder einem Wollen? Auf einem „Hin zu“ oder „Weg von“?
  • Was steckt hinter dem Ziel?
  • Entspricht dieses Ziel den eigenen Bedürfnissen, Werten und Motiven bzw. gegen welche der eigenen oder angenommenen fremden inneren „Torwächter“ verstößt es?
  • Wie wird versucht, das Ziel zu erreichen? Verstandesmäßig mit dem Versuch, Kontrolle über die einzelnen Schritte und das Wann, Wie, Wer, Wo auszuüben?
  • Drehen sich die eigenen Gedanken im Kreis und um Ängste und Sorge, die in Bezug zu diesem Ziel stehen (was Energie und Zeit kostet)?
  • Stecken hinter der Zielerreichung möglicherweise unbewusst befürchtete „Nebenwirkungen“, vor denen sich dein System mit Energieentzug schützen will?
  • Spricht das Ziel oder auch der Gedanke an den Weg dahin möglicherweise innerlich konkurrierende Werte an, die sich dann gegenseitig lahm legen?
  • Werden Gefühle bezüglich des Ziels (oder der Konsequenzen) unterdrückt? Wenn ja, welche?
  • Hat der Energiemangel etwas mit dem Ziel oder der Zielerreichung zu tun oder liegt die Ursache an anderer Stelle?

Und ganz wichtig unabhängig vom Ziel selbst:

  • Bin ich selbst als Mensch, als emotionales, körperliches, psychologisches Wesen auf allen Ebenen aufgetankt und in Balance?
  • Wofür wird die eigene Energie und die kreative Kraft gegenwärtig wirklich eingesetzt und genutzt? Für etwas (Annäherungsmotivation) oder gegen etwas (Vermeidungsmotivation)? Und jeweils dann mit welcher Konsequenz?

Wenn wir über einen langen Zeitraum unsere körperlichen, mentalen und emotionalen (und spirituellen) Bedürfnisse unter- oder übererfüllen geraten wir aus dem Gleichgewicht. Dies hat zur Folge, dass uns die Energie, der Antrieb fehlt, das Immunsystem geschwächt wird und uns für das, was wir tun wollen (und doch „eigentlich“ ganz einfach sein sollte), die Kraft fehlt. Oder anders formuliert, manchmal hat das System keine andere Wahl als uns „lahm“ zu legen, damit wir (endlich) wieder hin hören, aus unserem Gedankenkarussell aussteigen und wieder zu uns kommen (können).

Deshalb lautet die Antwort a) auf die Frage 2 „Wie motivierst Du in solchen Situationen Dich selbst oder Deine Coachees?“: Nicht.

Ich motiviere mich nicht und auch meine Coachees nicht für etwas, wofür die Energie und der Antrieb fehlt. Also kein „chaka“ und „ach, komm schon, so schlimm ist es doch nicht“, „das schaffst du auch noch“. Kein Appell daran, dass das ja in der Vergangenheit auch geklappt hat oder gut für die Zukunft sein könnte (was wir übrigens nie wissen können, uns jedoch jeweils gedanklich positiv oder negativ kreieren).

Wenn fehlende Motivation, Kraft und Energie sich als größeres Problem darstellt, die Erreichung eines Ziels ein „Muss“ ist oder sogar inneren Widerstand auslöst, dann haben die Menschen meist schon sehr, sehr viel dafür gekämpft, dieses Problem zu überwinden und ihr Ziel trotz leeren Tanks zu erreichen. Und dieser Kampf hat sich unbewusst gegen sie selbst gerichtet. Damit stecken sie in einer Sackgasse, aus der „simple Motivation“ mit Sicherheit nicht heraushilft, denn diese (vermeintliche) Lösung könnte sogar das Problem bzw. Teil des Problems sein.

Oft wird ein inneres Nein – sei es zu einem Ziel, einem Weg, der Art und Weise der Zielerreichung oder zum Zeitpunkt – von den Menschen selbst über lange Zeit ignoriert und unterdrückt. Es ist entsprechend auch im Außen nicht zu hören und findet dann notwendigerweise den Weg, sich indirekt über fehlende Energie oder Antrieb bemerkbar zu machen. Dies gilt es ernst zu nehmen.

Gerade wenn unsere inneren Reaktionen vom Verstand her, von der Sicht, auf die wir konditioniert sind und nach der wir automatisch funktionieren (sollten) oder mit dem Blick auf die gängigen und empfohlenen Strategien her nicht plausibel sind, ist es wichtig, hinter die Fassade zu schauen und die Absicht dahinter zu erforschen.

So gilt es, sowohl das Nein (das ein Ja für etwas anderes bedeutet) ernst zu nehmen, als auch dass es einen Grund für das Nein gibt. Denn unser System hat immer einen guten Grund bzw. die Weisheit etwas zu tun oder auch zu verhindern. Dies ist immer für uns, auch wenn seine Strategie, dies zu signalisieren (wie durch Erschöpfung oder unangenehme Gefühle) sich in diesen Fällen eher kontraproduktiv anfühlt.

Für mich liegt dann die Weisheit nicht darin, mich (oder andere Menschen) trotz des Widerstandes zu etwas zu motivieren, sondern zu wissen, dass der Widerstand ein Zeichen der Weisheit ist und ihn deshalb verstehen zu wollen, und wofür er steht und was er erreichen will.

Die Frage könnte lauten: „Was ist das Motiv, die Motivation dahinter?“

Motivation selbst steht für „warum tue ich, was ich tue“ oder auch, „warum tue ich nicht, was ich tun müsste“. Damit bezieht sich der Begriff darauf, welche Werte, Bedürfnisse, Beweggründe und Gedanken (damit auch Gefühle) hinter dem stecken, was mich bewegt bzw. was ich (nicht) bewege. Die eigenen Motive, die inneren Antreiber zu kennen, ihre Ausprägung, die Wechselwirkungen untereinander, ob bzw. wie sie sich gegenseitig verstärken, miteinander konkurrieren oder auch lahm legen, grundsätzlich und in dem Fall in Bezug zu dem Ziel, ist wahnsinnig hilfreich für die Lösung eines inneren Konflikts ob privat oder im Beruf, für sich selbst oder in Beziehungen.

Für meine Coachees nutze ich dafür die Innere Motivanalyse (IMA©) von Denkzeuge®, die wir gemeinsam detailliert auswerten und durch die der Blick und vor allem das Verstehen der eigenen Reaktionen geschärft wird und sich erklären lässt, ob z.B. das Ziel und/ oder der Weg überhaupt in Einklang mit der inneren Welt steht, welche inneren „Kollegen“ jubeln oder ihre „Arbeit“ verweigern.

Manchmal ändert sich dadurch das Ziel, manchmal die Schritte zur Zielerreichung, definitiv jedoch der Blick auf die eigenen Bedürfnisse, Ressourcen und Potenziale und der bewusste und selbstwirksame Umgang damit. Ein weiterer grundlegender Gesichtspunkt bei der Arbeit mit den Motiven ist, dass sie sowohl ihre Geschichte und ihren guten Grund haben als auch veränderbar sind, so dass sie in Bezug zum Ziel in ihrer Ausprägung, Wichtigkeit und Wechselwirkung untereinander genutzt, verringert oder verstärkt werden können. Diesen Prozess begleite ich in den Coachings, damit die eigene Energie wieder für das zur Verfügung steht, wofür sie wirklich gebraucht wird.

So lautet meine Antwort b) auf die Frage, wie ich mich und meine Coachees motiviere: indem wir uns mit den Motiven beschäftigen und diese im Einklang und für das Ziel nutzbar werden, wir nicht mehr (unbewusst) gegen uns arbeiten und uns selbst die Energie rauben, sondern uns selbst und den inneren Zeichen vertrauen und der kreativen Kraft hinter all dem.

Nun bin ich gespannt, welche Anmerkungen und Fragen aus diesem Artikel bzw. meine Antworten entstehen und freue mich auf den Austausch!

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